Wenn Menschen, die mich bisher nur flüchtig kannten, erfahren, dass Kosmetik nicht nur mein Hobby, sondern gar mein Lebensunterhalt ist, ernte ich grundsätzlich einen schrägen Blick. Es ist dieser Blick, der aussagt, dass man etwas politisch unkorrektes oder unanständiges gesagt hat. Oder dass man in Verdacht steht, gepupst zu haben.
Ich lese Ungläubigkeit darin und ein gewisses Bedauern über meine augenscheinliche Trivialität, die plötzlich zum Vorschau kommt.
Peinlicherweise schaltet exakt in diesem Moment mein Beauty-Hirn ein und meldet über das Auge: „Sie könnte mal ihre Brauen zupfen, würde ihren Blick weicher machen.“ Oder „Sie nimmt die falsche Creme, ihre Wangen sind ja regelrecht am Verdursten.“.
Bin ich also oberflächlich? Habe ich mich selbst mit meinem Geständnis, mich gerne zu hegen und zu pflegen in die Kategorie „Weibchen“ bugsiert? Kann man es jetzt vergessen, mit mir über Politik oder Kultur zu plaudern, weil ich wahrscheinlich außer mittäglichen Gerichtssendungen nichts an Input bekomme?
Nö.
Als Frau bin ich multitaskingfähig. Ich schaffe es tatsächlich, stundenlang im dm Drogeriemarkt zu verbringen und trotzdem „Die Gesänge des Maldoror“ für das großartigste Buch meines Lebens zu halten. Ich bin in der Lage in meinem Hirn nicht nur den neuesten Look von MAC sondern auch die binomische Formel zu speichern.
Und – jetzt kommt’s ganz dicke – mein Wissen über die beste Schminktechnik bei Schlupflidern hält mich nicht davon ab, feministisch zu leben. Ist das nicht unglaublich!
Es sind immer die Intellektuellen, die Politischen, die Engagierten, die meine Liebe zu mir selbst als Banalität ansehen.
Menschen, die einfach nur so vor sich hin klug sind, haben damit keine Probleme. Sie sind schlau und nutzen mein Wissen aus, bevor sie sich ein neues Shampoo zulegen.
Warum gilt Kosmetik in gewissen Kreisen als dumm, geschmacklos und ist geradezu ein Tabuthema.
Der Begriff „Kosmetik“ scheint für diese Mensch stark mit Gesichtsmalerei besetzt zu sein. Mit aufdringlichen Parfümerieverkäuferinnen, in der Nase stechenden Düften und Fingernägeln, so lang, dass man damit nicht in der Nase bohren kann, ohne hinterher operative Eingriffe befürchten zu müssen.
Für mich bedeutet Kosmetik so viel mehr. Spirituell und psychologisch betrachtet (holla!) dient mir der Umgang mit den Töpfen und Tiegeln als Mittel mich ungestraft meinem Körper und meiner Seele widmen zu können. In den Zeiten im Bad, in denen ich ausgiebig meiner Selbst huldige, gehen alle komplizierten Gedankegänge in Urlaub. Ich bin ganz Nase, Auge und Haut. Ich bin gnadenlos narzisstisch, genieße mich, spüre die Weichheit meiner Haut und bin schlicht unbeschreiblich weiblich.
In diesen Momenten bin ich nie vordergründig, sondern tiefgründiger als Freud es jemals erlebt hat. Ähnlichen Frieden empfinde ich nur beim Lesen eines wunderbaren Buches oder beim händischen Umgraben von feuchter Erde.
Graben Intellektuelle nicht um? Baden Feministinnen nicht gerne? Stört Philosophen nicht die Hornhaut an ihren Fersen?
Nachdem ich lange darüber nachgedacht habe, während ich mir die Nägel gefeilt habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es die Lust ist, die dabei als anstößig empfunden wird. Die Selbstverliebtheit, die ausgelebt wird. Der Egoismus, der genossen wird.
Wenn man sich im Gespräch mit einem dekoriertem Akademiker die Nase pudert, ist es für ihn, für sie, so als hole man einen Massagestab heraus und verschaffe sich Erleichterung. Die Beschäftigung mit der eigenen Person und Körperlichkeit, nur um sich selbst und niemand anderem Lust und Befriedigung zu spenden, das ist es, was irritiert.
Inzwischen genieße ich diese Irritation. Ebenso, wie mich die hektischen Beteuerungen auf mein fehlendes Abitur belustigen -, dass das doch gar nicht schlimm sei und man würde es gar nicht merken - bringt es mich innerlich immer wieder zum Lachen, wie diese Menschen zusammenzucken, wenn ich von meiner neuesten Errungenschaft, einer sündhaft teueren, aber grenzgenialen Mascara erzähle.
So ein bisschen die Tussi raushängen lassen, während man gerade eine feministische Grundsatzdiskussion führt, Mädels, das ist manchmal entspannender als ein heißes Bad.
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